TÖPFERGESELLSCHAFT · SOLOTHURN



Alfred Hartmann, ein Solothurner Schriftsteller aus alten Tagen

Am 10. Dezember 1897 ist ein Mann gestorben, der sich während seines langen Lebens vielfältige Verdienste um die Kultur des Kantons Solothurn erworben hat. Sein Name ist zwar im allgemeinen Bewusstsein nicht mehr stark verankert, aber man trifft doch immer wieder auf seinen Namen oder auf Spuren seines Wirkens. So erinnert in der Verenaschlucht eine einfache Gedenktafel an ihn, und in Antiquariaten findet man immer wieder Romane und Erzählungen aus seiner Feder. Die Fasnachtszeitung der Narrengemeinde Honolulu nennt sich nach der von Hartmann redigierten Zeitschrift "Postheiri". Und schliesslich hört man jeden Herbst wieder, wenn das neue Programm erscheint, von der Töpfergesellschaft, einer Vortragsgesellschaft, die von Hartmann und seinen Freunden gegründet worden ist.

Herkunft und Kindheit

Alfred Hartmann ist am 1. Januar 1814 in Thunstetten geboren worden, in eine trotz der unruhigen Zeit geordnete Welt. Sein Vater war Berner Bürger und Oberamtmann in Aaarwangen. Alfred Hartmanns Kindheit auf dem Lande verlief gleichförmig glücklich, bis der Vater 1827 gezwungen war, das Gut in Thunstetten zu verkaufen. Die Familie zog nach Solothurn, und Alfred trat als erster protestantischer Schüler in das geistliche Kollegium in Solothurn ein. An dieser Schule konnte er sich schulisch und sozial entwickeln, und hier gewann er Freunde aus alten Solothurner Familien.

Studien- und Wanderjahre und endlich - ein Beruf

1831 bezog Alfred Hartmann die Universitä München, wo er Rechtswissenschaft zu studieren gedachte. Die Tätigkeit in einer Burschenschaft, der Besuch von Theateraufführungen, Lektüre der Romantiker, Vorlesungen über Kunst und Literatur hielten ihn jedoch von der Juristerei fern. Aufenthalte an den Universitäten Heidelberg und Berlin brachten ihm weitere kulturelle Bereicherung, doch sein Fach fesselte ihn immer weniger.

Zu Beginn des Jahres 1835, in Paris, entschloss er sich, Schriftsteller zu werden. Einem ersten Manuskript wurde die Druckbewilligung von der deutschen Zensurbehörde verweigert, worauf er sich mit seinen Freunden zusammen literarischen Zeitschriftenprojekten zuwandte.

Zunehmende Wertschätzung, zunehmende Wirkung

Von diesen Zeitschriften überlebte nur eine Beilage: die humoristisch-satirische Beilage "Postheiri", die ab 1847 erfolgreich als selbständige Zeitschrift erschien. Gerade in der schwierigen Zeit vor und nach dem Sonderbundskrieg wurde die witzig-distanzierte und tolerante Stimme in der ganzen Schweiz dankbar gehört.

Im Jahre 1852 erschien endlich Hartmanns erstes Buch: die "Kiltabend-Geschichten", eine Sammlung von Dorfgeschichten, die sich durch genaue Kenntnis des Land- und Dorflebens und sorgfältige sprachliche Behandlung der Stoffe auszeichnen. Sie wurden sehr gut aufgenommen, sie trafen den Geschmack der Zeit; uns erscheinen sie zwar gediegen und gemütlich unterhaltend, aber ohne nachhaltige Wirkung. Der Sammlung folgte im Laufe der Jahre stattliche Zahl von Novellen und Romanen.

Hartmann hatte sich 1837 verheiratet. Er lebte mit seiner Familie auf dem Lindenhof an der St.Niklausstrasse und war in Solothurn so heimisch geworden, dass er sich auch einbürgern liess. Als Redaktor und Schriftsteller nahm er regen, prägenden Anteil am geistigen Leben der Kleinstadt.

Die Töpfergesellschaft

Aus einer lockeren Vereinigung Hartmanns und einiger Freunde ist 1857, also vor 140 Jahren, die Töpfergesellschaft hervorgegangen. Die neugegründete Gesellschaft sollte nach den Unruhen um die Verfassungsrevision von 1856 das Interesse der Solothurner durch eine Reihe von Vorträgen wieder der Wissenschaft und der Kunst zuwenden. Sie hat das selbstgesteckte Ziel der Wissensvermittlung in politischer Unabhängigkeit immer hochgehalten und damit für das kulturelle Leben Solothurns eine zentrale Bedeutung erworben. Bis zu seinem Rücktritt 1889 hat Hartmann ungefähr vierhundert Vorträge organisiert. Er hat er das ungeschriebene Konzept der Töpfergesellschaft entworfen, das heute noch gilt: Neues aus allen Wissensgebieten in ausgewogener Mischung und in verständlicher, aber sorgfältig erarbeiteter Form anzubieten.

Ihren seltsamen Namen hat die Gesellschaft offenbar erst 1864 erhalten: ein Gast soll gesagt haben, es sei Auftrag der Gesellschaft, wie ein Töpfer den zarten geistigen Ton der wissensdurstigen Bewohner der Stadt zu formen... Der Schritt zum Namen "Töpfergesellschaft" war klein, traten doch zu jener Zeit Vereinigungen gerne als eine Art Zunft auf. Der Präsident wurde dementsprechend "Altgeselle" genannt und die Referenten "Töpfergesellen".

Die Leistungen Alfred Hartmanns haben die Jahrzehnte überdauert. Allerdings liegt seine Bedeutung für uns heute weniger in seiner schriftstellerischen und journalistischen Arbeit als in den auf den ersten Blick vergänglicheren, schwerer zu fassenden, aber genauso wichtigen Tätigkeiten als geistig und kulturell interessierter und politisch überlegener Mensch.

Verena Bider